Die Artistischen Fakultäten waren Vorläufer der späteren Philosophischen Fakultäten. An den frühneuzeitlichen Universitäten nahmen sie eine Sonderstellung im Gefüge der Fakultäten ein, so auch die Artistische Fakultät in Wittenberg.
Hier lernten die Studenten das akademische Grundwerkzeug. Das Studium war ursprünglich strukturiert durch die „Septem Artes Liberales“, die Sieben Freien Künste. Zu diesen gehörte das Trivium („Dreiweg“) der Fächer Grammatik, Rhetorik und Dialektik, das der Student mit dem akademischen Grad des Bakkalaureus abschloss. Anschließend absolvierte er das Quadrivium („Vierweg“) der Fächer Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik. Meisterte der Student auch den „Vierweg“, erhielt er den Magistergrad.
Das abgeschlossene Studium an der Artistischen Fakultät berechtigte zum Studium an den drei höheren Fakultäten. Dementsprechend waren die meisten Studenten der LEUCOREA zunächst an der Artistischen Fakultät immatrikuliert. Auch wenn diese mit ihrer Funktion in der Rangordnung der vier Fakultäten formal den untersten Rang einnahm, ist sie an der LEUCOREA und weit darüber hinaus von großer Bedeutung gewesen.
An der humanistisch geprägten Artes-Fakultät der Wittenberger Alma Mater lehrten zahlreiche bekannte Persönlichkeiten, die den Wandel zur späteren Philosophischen Fakultät mitgestalteten. Zudem durchliefen etliche Reformatoren die Ausbildung an der Artistenfakultät oder blieben dort lehrend tätig. Das bekannteste Beispiel ist Philipp Melanchthon, der dort als Griechischprofessor lehrte. Sein Wirken prägte die Fakultät im 16. Jahrhundert maßgeblich und verlieh dieser große Strahlkraft. Nicht von ungefähr wurde Melanchthon „Lehrer Deutschlands“ genannt.
Bereits kurz nach Gründung der LEUCOREA erfuhr die Artistische Fakultät umfangreichere Reformen. 1514 etwa wurden die Mathematikvorlesungen um Musik ergänzt. 1518 schuf man sieben neue Professuren, welche die künftige Ausrichtung der Fakultät verdeutlichen: drei weitere für Philosophie, eine jeweils für Griechisch und Hebräisch. Zusätzlich wurden jeweils eine Griechisch-, Hebräisch- und Lateinprofessur am „Pädagogium“ eingerichtet. Dort wurden junge Studenten in den drei Sprachen vorgebildet, bevor sie das fachliche Studium an der Artes-Fakultät beginnen konnten.
Die humanistisch beeinflussten Reformen bildeten die Voraussetzung für das Schaffen Melanchthons an der Fakultät ab 1518. Sein Reformstreben war durch eine weitere Aufwertung der Sprachen an der Fakultät gekennzeichnet. Fehlerfreies Latein wie auch Kenntnisse der Grundzüge der Mathematik wurden Voraussetzungen für die Fachvorlesungen. Studenten mussten in der Lage sein, die dort besprochenen naturwissenschaftlichen und philosophischen Probleme sprachlich durchdringen zu können. Die Statuten und Beschlüsse der Fakultät prägte in diesen Jahren entscheidend Melanchthon, der darüber hinaus zu den Artes-Fächern Lehrbücher verfasste und anregte.
Die Fakultät behielt im 17. und 18. Jahrhundert, dann unter der Bezeichnung „Philosophische Fakultät“, ihre grundlegende Funktion: Studenten in den philosophischen, sprachlichen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen auszubilden und potenziell (denn längst nicht alle Studenten beendeten ihr Studium an der Philosophischen Fakultät oder planten ein daran anschließendes Studium) auf das Studium an den höheren Fakultäten vorzubereiten.
Im 16. und 17. Jahrhundert waren die an der Artistischen bzw. Philosophischen Fakultät gelehrten Disziplinen mitunter nicht strikt voneinander getrennt, was sich auch an den fachlichen Biografien der Hochschullehrer ablesen lässt (siehe Bedeutende Hochschullehrer). Im 18. Jahrhundert begann in dieser Hinsicht nicht nur an der Wittenberger Philosophischen Fakultät ein Ausdifferenzierungsprozess hin zu einer klareren Abgrenzung der Disziplinen in Lehre und Forschung. Am Ende des Jahrhunderts wies die Fakultät 31 Disziplinen aus.
Auch in dieser Zeit gab es Mitglieder der Philosophischen Fakultät, die sich mit ihren wissenschaftlichen Werken einen überregional bekannten Namen machten. Doch war im 18. Jahrhundert mit Blick auf die Philosophische Fakultät bemerkbar, dass die LEUCOREA an überregionaler Ausstrahlung verloren hatte. So geriet die Fakultät beispielsweise bei der Ausstattung mit modernen, den Forschungs- und Lehranforderungen der Zeit angemessenen Apparaturen, Instrumenten und Sammlungen ins Hintertreffen