Zunächst als „Forschungsheim für Weltanschauungsfragen“ gegründet, sollte sich die von der provinzsächsischen Landeskirche unterhaltene Einrichtung dem Dialog zwischen Naturwissenschaften und Theologie widmen. Eine alsbald erstellte Ausstellung zur Urgeschichte des Menschen suchte klarere Durchblicke durch die evolutionstheoretischen Thesen und Gedankengebäude zu schaffen. Zugleich war ein gleichnamiger Verein gegründet worden, dessen Zweck darin bestand, Weltanschauung im evangelischen Geiste durch Forschungs-, Vortrags- und Lehrtätigkeit zu pflegen.
Der Leiter des Forschungsheims, Otto Kleinschmidt (1870–1954), war Pfarrer und Naturwissenschaftler, insbesondere Vogelkundler. Im Jahr 1900 hatte er eine neue zoologische Systematik unter dem Titel „Formenkreislehre“ publiziert. Später dilettierte er auch als Anthropologe und radikalisierte 1933 für kürzere Zeit seine (zoologisch gewonnene) Systematik ins Humanrassistische. Nach „fachlichen“ Auseinandersetzungen darüber mit den Nationalsozialisten äußerte er sich dann nicht mehr zum Thema. Er war bis 1953 Leiter des Forschungsheimes.
Von 1927 bis 1961 residierte das Forschungsheim im Wittenberger Schloss. Dann musste es dort weichen. Seither hatte das KFH seinen Sitz gegenüber dem Augusteum. Personell war es immer eine sehr kleine Einrichtung. In den 1980er Jahren gehörten ihm zwei wissenschaftliche Vollzeit- und zwei technische Halbtagsbeschäftigte an.
Ab 1975, mit der Übernahme der Leitung durch Hans-Peter Gensichen, entwickelte sich das KFH zu einer Stätte des Nachdenkens über den „Konflikt Mensch – Erde“, wie es im Untertitel der seit 1980 herausgegeben KFH-Zeitschrift hieß. Nun fand eine intensive Auseinandersetzung mit Risiken und Gefährdungen statt, die durch wirtschaftliche und technologische Entwicklungen entstehen bzw. entstehen können. Darüber wurde das Forschungsheim zu einem Kristallisationspunkt der staatsunabhängigen Umweltbewegung in der DDR.
Wikipedia: Kirchliches Forschungsheim
Literatur
Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt (Hg.): Vom Forschungsheim für Weltanschauungskunde zur Studienstelle für Naturwissenschaft, Ethik und Bewahrung der Schöpfung. 90 Jahre Kirchliches Forschungsheim (=Briefe Zur Orientierung im Konflikt Mensch – Erde H. 126), Lutherstadt Wittenberg 2018